Jugendclub Galerie

08.09.2021

Rückblick auf ein Jahr Jugendclub-Treffen zwischen Bildrezeption und Bildproduktion

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Die Jugendclub-Mitglieder beschäftigten sich im vergangenen Jahr mit Bildern, ihren Lesarten und Bedeutungskontexten, sowie verschiedenen Techniken der Bildgestaltung. Ausgehend von den Themen„Sprache und Kommunikation“, die in LAB 5 in den Fokus genommen wird, kamen auch weitere Aspekte des LABs auf unterschiedlichste Weise zum Tragen. Grundlegend musste das „(in) Beziehung sein“ durch die Einschränkungen der Corona-Pandemie immer wieder neugestaltet werden. Die als so normal wahrgenommenen Treffen im Museum mussten hinterfragt, erst verschoben und dann abgesagt werden. Schließlich lernten wir uns im digitalen Raum zu begegnen und trotz des fehlenden Gemeinschaftsgefühls zusammen an den Themen weiter zu arbeiten.

Aber von Anfang an: Im Herbst schlenderten wir durch die Dauerausstellungen und sammelten anhand kleiner Bildausschnitte verschiedene Darstellungsarten und ordneten diese gestalterischen Techniken zu.

Abb. 1: Aufgabenkarten mit Bilderrätseln

Die dabei in den Ausstellungen gesehenen Bilder, Fotografien und Abbildungen auf unterschiedlichen Objekten reichten natürlich weit über die Auswahl hinaus und öffneten ein weites Feld an Möglichkeiten für die nächsten Treffen. Zur Hinführung an Bildwahrnehmung und Interpretation von Bildinhalten ist das Wissen um Gestaltungsmöglichkeiten und das Ausprobieren verschiedener Bildtechniken eine grundlegende Herangehensweise. Sie ermöglicht erfahrungsbezogenes, selbstständiges Lernen. Der Einblick in die Herstellungstechniken und die damit verbundenen Möglichkeiten und Schwierigkeiten macht es leichter, sich auch im übertragenen Sinne ein Bild von etwas machen zu können.

Also ließen wir uns von den kleinen Bildausschnitten inspirieren und setzen sie mittels Gouache-Farben in neue Szenerien.

Wir beschäftigten uns mit der Verfremdung von Bildern und experimentierten mit auf Folien kopierten Fotografien und verschiedenen Materialien am Overhead-Projektor. Dabei  bezogen wir uns auf historische Fotografien aus der frühen Entstehungszeit der Sammlung, die im Rahmen die in der Werkstattausstellung „Schwieriges Erbe“, sowie in Lab5 diskutiert und für die Präsentation bearbeitet wurden.

Wir betrachteten diese dann in einem der ersten digitalen Rundgänge durch die Werkstattausstellung. Dabei wurde klar, dass Ausstellungsrundgänge mit Bildbetrachtungen über Kamera und Computerbildschirm die Aufmerksamkeit nicht lang zu fokussieren vermögen. So legten wir in den nächsten digitalen Treffen den Schwerpunkt auf die Gestaltung von eigenen Bildern und spielerische, Interaktion erfordernde Herangehensweisen in der Bildwahrnehmung. Wir bezogen uns dabei auf Bilder, deren Lesarten und Bedeutungen in einer Videopräsentation von Lab5 aufgezeigt und befragt werden.

Abbildung 4: Sehen wir Skulpturen oder verborgene Dinge?
(Foto: Harald Völkl)

„Es erinnert an Bauwerke. Vielleicht Türme? Aber es bleibt rätselhaft.“ Eine Frage an die Kinder lautete: Was verpackst du? Dies durften die Kinder dann untereinander als Rätsel lösen. Die Fragen mussten dabei so formuliert werden, dass die Antworten entweder Ja oder Nein lauten konnten.

Bilderrätsel gab es im Weiteren auf vielfältige Weise zu entschlüsseln.

Abbildung 6: Wandmalerei aus Afghanistan
(Foto: SBE, Linden-Museum)

Sehen wir eine Wandmalerei oder eine Kinderzeichnung? Im Chat sammelten wir Eindrücke und Gedanken:   ein Spiel? –  Bemalung einer Lehmhütte aus der Steinzeit  –  Farben aus der Natur  –   Ist das in der Mitte eine Blume? – Ziegenbock  – abstrakte Zeichnungen.

Über den Chat erhielten die Kinder dann verschiedene Wandmalereien, die auf der Stuttgarter Badakhshan-Expedition in den 1960er Jahren aufgenommen wurden, zugesendet. Alle malten ihr Motiv ab und die anderen mussten anschließend anhand der Übersicht herausfinden, wo es abgebildet war.

Die Übung diente gleichzeitig auch als Heranführung eine Pflanze oder ein Tier in diesem auf Linien, Punkte und wenige Farben reduzierten Stil zu malen.

Abbildung 8: Der Basar von Kholm im Linden-Museum
(Foto: Linden-Museum)

Die Fotografie des Basars aus Tashqurghan mit seinen Bedeutungsebenen zwischen Rekonstruktion,  Dokumentation und Inszenierung bildete den Ausgangspunkt für Collagen von Markt-Geschehen. Um Gemeinsamkeit zu schaffen, erhielten die Kinder im Vorfeld Materialpakete zugesendet. Spiele wie „Ich packe in meine Marktkiste…“ wurden in den digitalen Raum übertragen. Aus dem gegenseitigen Vorlesen von Gedichten zu Marktszenen und Erlebnissen entsponnen sich lebendige und ideenreiche Gespräche. Die Dialoge wurden als weitere Ebene in die Collagen mit aufgenommen, so dass „Bildererzählungen“ entstanden.

„Ich weiß auch nicht, was ich hier mache, aber ich sitze hier“ – war eine der ersten Assoziationen zu dieser Fotografie eines Mannes auf einem Stuhl.

Abbildung 10: Der Alaqadar von Zebak,
ein junger Afghane aus der Gegend von Gelalabad,
auf einem Sessel im „Garten“ der Alaqaderie sitzend,
im Hintergrund Pappeln.
(Foto: SBE, Linden-Museum)

Sie gehört auch in die Reihe der von der Arbeitsgruppe Entangled: Stuttgart – Afghanistan im Rahmen von Lab4 bearbeiteten Bilder: Positionen der Macht oder Ohnmacht? Wer blickt auf wen? Da wir uns weiterhin nicht im Museum treffen konnten, nahmen wir eine Fotografie von dem in der Ausstellung stehenden Campingstuhl zum Anlass die Vielschichtigkeit des Motivs von Menschen auf Stühlen bildlich umzusetzen. Inspiration bot die Stichwortsammlung zu einem „Flohmarkt nur für Stühle“ mit Campingstühlen, Bürostühle, Hocker, Klavierhocker, Schreibtischstuhl, Thron, Küchenstuhl, Schaukelstuhl, Schaukel, Sessel, Sofa, Sitzsack, Bank, Thronhocker, Barhocker, Klappstuhl, Liegestuhl, Kinositze, Schemel, Melkschemel, Stuhl, Schulstuhl, Autositz, Drehstuhl, Fahrstuhl, Kindersitz, Hochstuhl, Hochsitz, Rollstuhl, Bierbank, sowie eine Auswahl an Redewendungen, wie: „zwischen zwei Stühlen sitzen“, „locker vom Hocker“, “ein großer Stuhl macht noch keinen König“ oder „den Stuhl neu besetzen“.

Als spielerische Übung zeichneten wir uns vorher, in unterschiedlichen Haltungen auf Stühlen sitzend, gegenseitig ab. Dabei ging es um die schnelle Erfassung der Sitzposition.

Aufgaben waren zudem, den Stift nicht abzusetzen, nur ein Strichmännchen oder nur mit Schraffuren zu zeichnen.

Ein weiteres Motiv, mit dem wir uns beschäftigten, war diese Brücke, die ebenfalls aus der Fotosammlung der Badakhshan-Expedition stammt.

Abbildung 13: Warduğ. Brücke über den Warduğ an der Straße Baharak – Ğurm. Holzkastenbauweise mit hochgeführten Widerlagern. (Foto: SBE, Linden-Museum)

Als kreativen Zugang zu Bildbetrachtungen schrieben wir Elfchen, Gedichte die aus elf Wörtern bestehen.

Wasser
fließt unter
einer Brücke durch
ist bestimmt ganz kalt
flüssig

Neben dem Aspekt, dass oft auch poetische Worte aus Bildern sprechen, nahmen wir dann vor allem das Motiv der verbindenden Brücke in den Fokus. Mittels Stempeldruck gestalteten wir großformatige Landkartenbilder mit unterschiedlichsten Brücken.

Abbildung 14: Stempel mit verschiedenen Bauformen

Diese Aktion bildete im Juni auch unsere Brücke zurück in die Museumsräume – denn wir stellten die Bilder dann gemeinsam vor Ort fertig und fügten Brücke an Brücke aneinander.

In den folgenden Treffen konnten wir uns auch wieder Werke in den Dauerausstellungen ansehen.

Nachdem wir nun ein Hochdruck-Verfahren kennengelernt hatten, ritzten wir Muster und Ornamente, die uns in der Orient-Abteilung gefielen, in Tetrapacks und erstellten einfache Tiefdruck-Vorlagen.

Abb. 16: Druckvorlagen

Die vertieften Zeichenspuren bleiben weiß, der Hintergrund erscheint bunt –also umgekehrt zum Hochdruck-Verfahren.

Zum Abschluss dieser Reihe zu Bildern im Museum zeichneten wir mit Tusche. Für viele war das „Ton in Ton“ der Tuschezeichnung, von den dunkelsten bis zu den zartesten Farbnuancen, neu. Nach ein paar Pinselübungen suchten wir auf Rollbildern der Ostasien-Sammlung Inspiration für einzelne Motive.

Auch wenn die ausschnitthaften Wahrnehmungs- und Gestaltungsübungen nur eine Auswahl der Möglichkeiten zeigten, haben sie ein Bewusstsein für Bildwirkungen und Bedeutungsebenen geweckt und angesprochen.

Vielen Dank an Rosalie Möller für die Mitgestaltung der Jugendclub-Treffen und vor allem an Morlin, Dana, Fritz, Luisa, Mahaut, Philine und Laura für das Einbringen kreativer Ideen, fürs Dabeisein im digitalen und realen Raum und die schönen Bilder, die dabei entstanden sind.

Autorin:
Nina Schmidt, Museumsvermittlung